Minden und die Digitalisierung der Schulen / 25.08.20
Minden und die Digitalisierung der Schulen
Alle Schüler und Lehrer bekommen in der Stadt Vlotho kostenlose Tablets. Die Stadt Vlotho will mit ihrem "Chancen-Modell" sicherstellen, dass alle Schüler und Lehrer ab der ersten Klasse ein Tablet zur Verfügung haben. Entsprechende Mittel wurden dafür bereitgestellt. Hintergrund: In der Corona-Zeit, in der die Kinder fast keinen Präsenzunterricht hatten, soll sichergestellt werden, dass alle die gleichen Voraussetzungen bekommen. Gerade Kinder aus einkommenschwachen Familien wurden durch das Homeschooling zurückgelassen, da sie keinen eigenen Computer oder Tablet haben, um die Hausaufgaben digital zu erledigen.
Wie geht Minden bei der Lösung dieses Problems vor? Das wurde gestern im Bildungsausschuss vorgestellt. Rund 1,1 Mio. € stellt das Land NRW der Stadt Minden in zwei Sonderprogrammen des Digitalpaktes zur Sofortausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten zur Verfügung. Bedingung ist die Anschaffung bis Ende 2020, Support durch den Schulträger und Übernahme eines Eigenanteils von 10% der Kosten.
Für rund 425.000 € werden also für alle 805 Mindener Lehrer*innen digitale Endgeräte beschafft (100% Abdeckung). Für weitere 647.000 € sollen rund 1200 Tablets für benachteiligte Schüler*innen gekauft werden. Reicht das? Und wer entscheidet darüber, wer benachteiligt ist und einen Anspruch auf ein Tablet hat. Die Schulleitung? Gibt es ein Windhundverfahren um die begehrten Tablets?
In Minden gibt es rund 15.000 Kinder- und Jugendliche unter 18 Jahren. Rund 25%, geht man vom aktuell gültigen Kinder- und Jugendförderplan der Stadt Minden aus, sind arm bzw. von Armut bedroht und leben in ihren Familien mit Sozialbezügen. Zitat, Seite 8 des Förderplans: "Von den 57 Kommunen mit über 60.000 Einwohnern in NRW steht Minden 2014 mit 25,8% bei der Kinderarmut an 16. Stelle." Vereinfacht: 25% von 15.000 Minderjährigen bedeutet, in der Stadt Minden leben rund 3800 benachteiligte Kinder! Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Bezogen 2006 noch 18,1% der Kinder- und Jugendlichen Sozialbezüge sind es Anfang 2016 bereits 23,4% (Kinder- und Jugendförderplan der Stadt Minden 2015 - 2020, Seite 9).
Nun gehen noch nicht alle benachteiligten Kinder in die Schule, aber eines ist doch wohl jetzt schon klar: 1200 Tablets reichen noch nicht einmal aus, um alle benachteiligten Kids mit Tablets zu versorgen. Geschweige denn all die Kinder aus den Familien, die, weil sie 1 € über dem HarzIV-Satz liegen keine Sozialbezüge erhalten und somit auch kein Tablet. Wie sollen diese Familien versorgt werden? Gar nicht? Klar gibt es Gutverdiener-Familien in Minden, die ihren Kindern Tablets kaufen können. Aber was ist mit all denen, die das nicht können? Fallen die durch das System? Gibt es für die keine finanzielle Unterstützung? Und wie soll digitaler Unterricht stattfinden, wenn alle Lehrer ein Tablet haben und ein Teil der sozialbenachteiligten und viele andere vielleicht nicht?
Ist das die Chancengleichheit, die in Minden immer so herausgestellt wird? Eine Worthülse!
Die Stadt Minden muss ein Konzept zur Versorgung aller Schüler*innen (!) mit Tablets vorlegen. Und zwar vorgestern! Bitte keine fadenscheinigen Teillösungen mehr, sondern runde Konzepte für alle Kinder. Und auch das Lob, dass man mit den Mitteln 100% Abdeckung bei den Lehrergeräten erreicht, täuscht doch nur über das grundlegende Problem hinweg, dass Minden bei der Digitalisierung geschlafen hat.
Eine Stadt mit so viel Kinderarmut kann und darf es sich nicht länger erlauben, Finanzmittel in Leuchtturmprojekte zu investieren, sondern hat in erster Linie dafür zu sorgen, ihren Pflichtaufgaben nachzukommen und in Bildung zu investieren, damit junge Menschen stark gemacht werden für die Welt von morgen!
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