Minden und die Multifunktionshalle - ein Beispiel für Inkompetenz und Fehlentscheidungen / 10.05.18
Minden und die Multifunktionshalle – ein Beispiel für Inkompetenz und Fehlentscheidungen
Das Projekt Multifunktionshalle ist tot - mausetot. Aber das scheint so mancher Vertreter der Verwaltung und Politik in Minden und im Kreis Minden-Lübbecke nicht so recht wahrhaben zu wollen.
Wenn der „Markt“ für eine Multifunktionshalle nicht vorhanden ist - und genau das bestätigt das aktuelle, lange zurückgehaltene Gutachten - lässt sich das „Produkt“ Multifunktionshalle nicht „verkaufen“. Das hat nichts mit Wünschen und Wollen zu tun. Das sind die Regeln der Marktwirtschaft. Die gelten auch und gerade für sozialdemokratisch geführte Kommunen und Kreise.
Bürgermeister Jäcke kommt aus der freien Wirtschaft und sollte diese Spielregeln kennen. Entscheidungen am Marktbedürfnis vorbei kosten vielen Unternehmen in der freien Wirtschaft die Existenz. Kommunale Fehlentscheidungen bedeuten tiefe Einschnitte in den Stadthaushalt, senken den Lebensstandard aller Bürgerinnen und Bürger und bedeuten nicht zuletzt höhere Steuern.
Das Projekt Multifunktionshalle ist beispielhaft für inkompetentes kommunales Handeln.
Rahmenbedingungen passend gemacht
Aus dem Jahr 2011 stammt das Städtebauliche Entwicklungskonzept Alter Weserhafen / Ehem. Güterbahnhof, das zwei Entwicklungsmöglichkeiten für das rechte Weserufer empfiehlt: die naturnahe Entwicklung des Areals und/oder die Entwicklung des Areals für Kultur-, Sport- und Freizeitaktivitäten. Der Plan: Das Gelände „Alter Güterbahnhof“ sollte durch den Bau einer Multifunktionshalle entwickelt werden. Das passte gut ins Konzept, denn die vorhandene vom Kreis betriebene Kampahalle war abgängig und nur mit erheblichen Mitteln zu sanieren.
Das Problem: Das Gelände „alter Güterbahnhof“ lag im Gefährdungsradius der Seveso-Richtlinie, der von einem Unternehmen im Industriegebiet an der Karlstrasse ausging. Die EG-Richtlinie regelt die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen und sieht zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt einen Sicherheitsabstand, eine Schutzzone vor.
Was tun? Ein Gelände innerhalb dieses Radius kann aufgrund des Gefahrenpotentials nicht so einfach entwickelt werden. Das gilt insbesondere für Bauvorhaben mit Gebäuden und Einrichtungen mit großem Publikumsverkehr.
Die Stadt Minden gab ein neues Gutachten in Auftrag. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitsabstände der SEVESO-Richtlinie in Minden „verkürzt“ werden können. Also wurde der Radius kurzer Hand geändert, sodass das Güterbahnhofgelände aus dem Gefährdungsbereich herausfiel. Aus einem Radius wurde eine Ellipse. Das Gelände konnte entwickelt werden.
2. Schritt vor dem erstem: Machbarkeitsstudie und Projektplanung ohne genaue Marktanalyse
Rasch wurden die ersten Baupläne des Projektes Multifunktionshalle entwickelt, das erste Gutachten zur Machbarkeit wurde für € 300.000 in Auftrag gegeben, finanziert zu je einem Drittel von der Stadt Minden, dem Kreis und der Wirtschaft. Ohne detaillierte Marktanalyse oder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eines derartig großen Bauvorhabens, die erfolgte erst im 2. aktuellen Gutachten, wurde im Haupt- und Finanzausschuss (nicht im Rat!) der Stadt Minden der Kauf des Geländes „Alter Güterbahnhof“ von nur einem Viertel (!) der Mindener Stadtverordneten beschlossen.
Fehleinschätzung des Altlastengeländes „Alter Güterbahnhof“
Man war sich aufgrund der Vornutzung des Güterbahnhofsgeländes durchaus bewusst, dass es sich um ein Altlastengelände handelt. 12 Untersuchungen und Gutachten aus den Jahren 1991 bis 2016 zur Gefahrstoffbelastung im Boden und Grundwasser des 43.000 m2 großen Geländes lagen der Stadt Minden und dem Kreis Minden-Lübbecke vor wurden aber nicht vollumfänglich veröffentlicht. Der Haupt- und Finanzausschuss stimmte in nicht-öffentlicher Sitzung dem Kauf des Geländes zu.
Das tatsächliche Gefährdungspotential des Geländes wurde heruntergespielt. BBM wies in einer Stellungnahme in der Sondersitzung des Mindener Rates am 27.06.17 auf die extrem hohe Schadstoffbelastung des Geländes sowie die daraus abzuleitenden hohen Erkundungs- und Sanierungskosten hin. Die Erkundungskosten – wieder ein Gutachten - betragen nach erster Schätzung € 350.000, die zu 20% die Stadt Minden und zu 80% der AAV (Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung) tragen soll. Kosten, die über die geschätzte Summe hinausgehen, trägt die Stadt Minden allein.
Die Sanierungskosten, die Minden ebenfalls zu 20% übernehmen soll, wurden bis heute nicht beziffert. 20% wovon? Von 20 Mio. €? Die erscheinen durchaus realistisch. Betrugen doch die Kosten für die Abbrucharbeiten und die Sanierung des 6mal kleineren und „nur“ mit PAK belasteten Westermanngeländes unter hohen Sicherheitsstandards schon über 2 Mio. €.
Hat die Stadt Minden, die sich immer noch in der Haushaltsicherung befindet, diese Haushaltsmittel? Müssen dafür neue Kredite aufgenommen werden, oder andere Projekte bspw. im Bereich KITA oder Bildung zurückgestellt werden? Oder sollen gar die Bürgerinnen und Bürger über Steuererhöhungen diese Fehlentscheidungen bezahlen? Kopfkino: Stuttgart 21, Berliner Flughafen, Multifunktionshalle.
Noch mehr Haushaltsmittel für ein neues Wirtschaftlichkeitsgutachten
So als könnte ein weiteres Gutachten nun endlich die gewünschte Wirtschaftlichkeit des Projektes belegen stimmen SPD, CDU, MI und LF der Ausgabe von weiteren 200.000 € im Haupt- und Finanzausschuss zu. Zur Sicherheit lässt der Bürgermeister die Entscheidung auch noch im Rat absegnen, dem Gremium, das gerne bei allen Kauf- und Verkauf-Entscheidungen in Minden ausgeklammert wird. Der längst fällige Schritt 1 findet statt. Fast eine halbe Millionen Euro wurde für zwei Gutachten ausgegeben – viel Geld, das nun an anderer Stelle fehlt.
Keine Transparenz im Prozess – Informationen werden lange vorenthalten
Das Ergebnis dieses neuen Gutachtens ist der Stadt seit Anfang 2018 bekannt. Den Entscheidern – den Räten – wird das Gutachten z. Teil erst wenige Tage vor seiner Veröffentlichung und auch nur auf mehrmalige Nachfrage dann endlich zur Verfügung gestellt.
Die Verwaltungsspitze der Stadt Minden braucht vier Monate um das Gutachten prüfen und bewerten zu lassen. Warum so lange? Was ist an der Aussage „zu geringes Potential“ und „zu hohe Kosten“ nicht zu verstehen? … es entspricht nicht der gewünschten Antwort!
Mangelnde Kompetenz und Angst vor Verantwortungsübernahme
Die Tendenz der Stadt Minden ist größer geworden, seit Jäckes Amtsantritt 2014, für jedes Projekt der Stadt gleich einen externen Gutachter zu beauftragen. Die Verwaltung hat offensichtlich nicht die Kompetenz, trotz gutbezahlter Experten und Führungskräfte in der Verwaltung, Sachverhalte selber zu prüfen, zu beurteilen und im Rat zur Entscheidung zu bringen. Das zeigt sich besonders an der langen Prüfdauer des 2. Gutachtens, dem Mangel, die Ergebnisse sachgerecht zu bewerten und für eine endgültige Entscheidung die Verantwortung zu übernehmen.
Das Bürger-Bündnis Minden hat sich entschieden: „NEIN“ zur Multifunktionshalle und „JA“ zum Ausbau und der Sanierung der Kampahalle.
Claudia Herziger-Möhlmann Anton Dschida
Stadtverordnete, 2. Vorsitzende 1. Vorsitzender