BBM-Statement zum Haushalt 2020 inkl. Abstimmungsergebnisse / Rat 25.06.20
Statement des Bürger-Bündnis Minden BBM zum Haushalt 2020
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Jäcke,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadtverordnete,
liebe Mindener Bürgerinnen und Bürger,
liebe Gäste,
die Konjunkturhochphase ist vorbei. Das spürt auch die Stadt Minden ganz deutlich. Der Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen in 2019 führte zu einer Haushaltssperre. Minden erhielt 2019 den letzten Finanzzuschuss aus dem Stärkungspakt von rund 1,6 Mio. € - insgesamt flossen für den Zeitraum von 2011 bis 2019 Landeshilfen in Höhe von 41,55 Mio. €. Letztendlich schließt das Haushaltsjahr 2019 mit einem Überschuss von erfreulichen 3,16 Mio. ab.
Nach Ende 2019 und Februar 2020 befinden wir uns nun im 3. Anlauf der Einbringung des Haushaltes für 2020. Der aktuelle vom Kämmerer geplante Überschuss liegt bei 229 € bei einem Gesamtetat von rund 249 Mio. € und unveränderten Steuersätzen. Letztes ist positiv zu bewerten.
Die Stadt Minden wird in 2020 voraussichtlich wiederholt keine Kassenkredite benötigen, um ihr Tagesgeschäft zu finanzieren. Auch das ist positiv zu bewerten.
Neben Porta Westfalica ist die Stadt Minden die einzige Stadt in OWL mit einer Pflichtteilnahme im Stärkungspakt Stadtfinanzen. Sie soll ihre Finanzen wieder auf eine solide Grundlage stellen und ihre eigene Gestaltungskraft zurückerlangen. Spätestens im kommenden Jahr 2021 muss ein Haushaltsausgleich aus eigener Kraft erreicht werden.
2020 erhält Minden keine weiteren Mittel aus dem Stärkungspakt. Coronabedingt erhält Minden jedoch aus dem „Sonderhilfengesetz-Stärkungspakt“ zusätzliche Zuweisungen vom Land zur Unterstützung des Haushaltsausgleiches. In 2020 und 2021 fließen somit noch einmal Landeszuwendungen in Höhe von jeweils 1,75 Mio. €.
Minden hat seit rund 20 Jahren keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt, d.h. die Ausgaben übersteigen die Einnahmen. Als einzige der 61 NRW-Stärkungspaktkommunen hat Minden auch in 2020 keinen ausgeglichenen Haushalt. Alle schaffen den Ausgleich – nur Minden nicht! Woran liegt das?
Der Kreditbedarf für Investitionen liegt allein im Jahr 2020 bei über € 15 Mio. und wird in den kommenden Jahren stark steigen, der Großteil davon entfällt auf die Rathaussanierung, den Ausbau der Vincke-Realschule und die neue SEKI-Schule in Häverstädt! Die Stadt verabschiedet sich damit von ihrer Entschuldungsstrategie. Alleine der Zinsaufwand in 2020 beträgt 4,57 Mio. €.
Minden hat bei klammen Finanzen ein riesiges Investitionsprogramm, was dem Sanierungsstau der letzten Jahre geschuldet ist. Die Verpflichtungsermächtigungen für Investitionen in den kommenden Jahren liegen bei 51,5 Mio. €! Die Verschuldung der Stadt Minden wird bis zum Jahr 2022 auf rund 185 Mio. € - ohne die Multifunktionshalle - überproportional und besorgniserregend anstiegen.
Abgesehen von der allgemeinen Baukostensteigerung ufern die Baukosten für viele Projekte völlig aus, Kostendeckel werden bedeutungslos. Das betrifft bspw. die Rathaussanierung, die Blänke und den mit aktuell 335.000 € geplanten extrem teuren Wesertorbrunnen, absolutes NO-GO! Das eigens gesetzte Ziel „Maß zu halten“ wird nicht erreicht. Das BBM regt daher an, die Verantwortung für die Gebäudewirtschaft wieder an SBM und deren Kernkompetenzen im Bereich Bauen zurück zu verlagern.
Die seit vielen Jahren geforderte Ermittlung des Gesamtzustandes der Mindener Straßen liegt vor – zumindest verwaltungsintern. Die Liste der auszubauenden Straßen und ihre Priorisierung war überfällig. Welche Straßen in Minden sind endgültig ausgebaut und welche nicht? Ein Konzept für ein Straßenunterhaltungsmanagement wurde nun erstellt. Was allerdings fehlt ist die öffentliche Diskussion, ein zwischen Politik, Verwaltung und insbesondere der Bürgerschaft vereinbarter Ausbauplan der konsumtiven und investiven Straßenbaumaßnahmen. Kann man die Bürger tatsächlich bei den „nicht endgültig ausgebauten Straßen“ mit 90% an den umlagefähigen Kosten beteiligen, oder müssen hier andere Finanzierungslösungen gefunden werden. Das BBM kritisiert die vom Land getroffene Regelung zur Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen als völlig unzureichend und setzt sich nach wie vor für die Abschaffung der Straßenbaubeiträge ein.
Mit großer Besorgnis nehmen wir die dynamische Steigerung der Soziallasten der Stadt Minden zur Kenntnis. Das Risiko ist hoch, das in der aktuellen Rezession, geringeren Gewerbesteuereinnahmen und ggfs. wieder steigenden Zinsen, die ständig steigenden Soziallasten der Stadt Minden und hohen Investitionen nicht mehr finanziert werden können und Steuererhöhungen und eine neue Haushaltssicherung droht. Das gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.
Die Stadt Minden verfolgt die Strategie, geflüchtete Menschen vorrangig in Wohnungen unterzubringen und stellte dafür ursprünglich 350 Wohnungen zur Verfügung. Anfang 2020 wurden noch 273 Wohnungen angemietet, von denen allerdings aktuell 70 leer stehen. Bei durchschnittlich 10.000 € Kosten pro Wohnung und Jahr fallen somit Leerstandskosten in Höhe von 700.000 € p.a. an, die vermeidbar wären. Auch die jährlichen Instandhaltungskosten dieser Wohnungen von rund 1 Mio. € für 2020 (durchschnittlich 3700 €/Wohnung und Jahr) könnten deutlich reduziert werden. Die Stadt verfolgt das Ziel, 40 Wohnungen zu bevorraten. Das halten wir in Anbetracht des knappen bezahlbaren Wohnraums für Senioren, Familien, Singles und Alleinerziehende in Minden für zu hoch.
Antrag 1: BBM beantragt daher, die Zahl der angemieteten Wohnungen schnellst möglichst auf 30 Einheiten zu begrenzen und den Haushalt 2020 somit um rund 400.000 € für die zu stornierenden Wohnungen und rund 144.000 € für damit entfallenden Instandhaltungskosten dieser zu entlasten. Der Haushalt 2020 würde somit insgesamt um 544.000 € entlastet werden.
- Mehrheitlich mit den Stimmen der SPD und CDU abgelehnt!
Wir begrüßen die geplanten Verbesserungen im Nahverkehr und hoffen, dass neben dem Ringbus auch die Anbindung der Stadtrandgebiete zukünftig besser angepasst an die Bedarfe gelingen wird. Kritisch sieht das BBM nach wie vor die Gründung einer eigenen Verkehrsgesellschaft, denn der angestrebte Steuervorteil des Projektes ist durch die Taktung der Busse und die Erweiterung des Liniennetzes bereits aufgebraucht.
Antrag 2: BBM beantragt, die hohen anfallenden Verluste im ÖPNV nun schnellst möglichst, spätestens zum Schuljahr 2021/22 in kostenlose Schülerbustickets für alle 6100 Mindener Schülerinnen und Schüler als Maßnahme zum Klimaschutz umzuwandeln, wie bereits am 19.09.19 im Prüfauftrag eingebracht.
- Mehrheitlich mit den Stimmen der SPD und CDU abgelehnt!
Mit dem Jahresabschluss 2019 wurde deutlich, dass die Stadt Minden hohe Rückstellungen im Personalbereich gebildet hat. Bei Personalaufwendungen von rund 50 Mio. € lagen die Urlaubsrückstellungen per Ende 2019 bei rund 3,3 Mio. €, die Rückstellungen für geleistete Überstunden bei rund 1,8 Mio. €. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass bei der Mindener Feuerwehr und aktuell auch in anderen Bereichen viele Überstunden anfallen und das Nachbesetzen offener Stellen sehr schwierig ist. BBM regt dennoch an, da wo möglich, die Rückstellungen für Urlaub und Überstunden abzubauen und den Haushalt dadurch weiter zu entlasten.
Die Stadt Minden ist wie alle anderen Kommunen im März diesen Jahres von der Coronakrise überrascht worden. Die angespannte Haushaltssituation wird durch die coronabedingten Finanzausfälle noch verschärft. Zum Jahresende wird ein Fehlbetrag von 17,3 Mio. € prognostiziert, der zum Teil auch aus der Rücknahme der Grundsteuererhöhung resultiert. Alleine der Rückgang bei den Gewerbesteuereinnahmen um ca. 25% wird mit 10,6 Mio. € erwartet. Der Zuschuss des Landes in Höhe von 1,75 Mio. € für 2020 führt zu einem minimal positivem Ergebnis (im Haushaltsplan 2020). In den Folgejahren werden hohe Defizite erwartet.
Den Vorschlag des Landes, die coronabedingten Finanzschäden im Haushalt 2020 am Jahresende zu isolieren und sie ab 2025 über 50 Jahre abzuschreiben, tragen wir NICHT mit.
Wir sehen Politik und Verwaltung gemeinsam in der Verantwortung durch geschickte Projektpriorisierung und weitere Konsolidierungsmaßnahmen das Haushaltsdefizit zu vermeiden, um die nachfolgenden Generationen mit den Finanzfolgen der Coronakrise nicht zusätzlich zu belasten.
Die Gemeindeordnung NRW sieht eine zusätzliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 4800 € für Ausschussvorsitzende (Ausnahmen Wahlprüfungsausschuss) vor. Der Gesetzgeber hat den Räten allerdings das Recht zum Verzicht auf die Entschädigung eingeräumt. Die Haushaltslage zwingt zu Sparmaßnahmen. Den Verwaltungsvorschlag, bei der Vergütung der Ausschussvorsitzenden in 2020 Einsparungen in Höhe von 24.000 € zu realisieren unterstützen wir ausdrücklich.
Antrag 3: BBM würde es daher begrüßen, wenn (der Bürgermeister und) die Ausschussvorsitzenden mit positivem Beispiel vorangingen und auf einen Teil ihrer Entschädigung (2020: 24.000 €, ab 2021: 48:000 €) verzichten. BBM beantragt daher, die von der Verwaltung im Haupt- und Finanzausschuss vorgeschlagene Konsolidierungsmaßnahme umzusetzen und die Einsparungen umgehend zu realisieren.
- Mehrheitlich mit den Stimmen der SPD und CDU abgelehnt!
In Anbetracht der Haushaltssituation der Stadt Minden sehen wir nach wie vor keine Möglichkeit, das Projekt Multifunktionshalle mit öffentlicher Beteiligung zu finanzieren. Viele andere Maßnahmen, wie beispielsweise die Investitionen in die Bildungsinfrastruktur, die Digitalisierung, der Straßenbau oder die Sanierung des Stadttheaters sind hier vorrangig zu behandeln.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, unter diesen Bedingungen kann ich dem Haushalt 2020 nicht zustimmen.
Ich hoffe auf eine faire Diskussion und gute, zukunftsfähige Entscheidungen für unsere Stadt Minden und bedanke mich für die Zusammenarbeit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Claudia Herziger-Möhlmann
Stadtverordnete und 2. Vorsitzende